Um die Schönheit von Folegandros zu erkennen, reicht der erste Blick. Doch um das Wesen der Insel wahrhaftig zu ergründen, muss man sich zu den Füßen Platons setzen und seinen metaphysischen Theorien lauschen. Klingt anstrengend? Keine Bange. Auf dieser Reise lernen wir nicht nur, welches Mysterium das Universum zusammenhält, sondern auch, ob man sich den Weißwein im Gundari Resort an die Pool-Liege bringen lassen kann. (Spoiler: selbstverständlich.) Die Fünf-Sterne-Residenz und ihr Eiland sind ein Geheimnis, das wir nicht mehr länger für uns behalten wollen. Aber das bleibt unter uns, ja?


Stell dir vier Schwestern vor. Sie heißen Paros, Naxos, Santorin und Folegandros. Alle wohnen sie im Herzen der Kykladen, unter der Sonne Griechenlands. Drei von ihnen sind weit herum bekannt. Paros trägt Schmuck aus weißem Marmor, der begehrt ist auf der ganzen Welt, und ihre zeitlose Eleganz hat noch jedes Gemüt ins Schwärmen gebracht. Naxos umgibt sich zu allen Jahreszeiten mit einer bunten, üppigen Blütenpracht. Schmetterlinge flattern um ihr langes, offenes Haar. Santorin ist die glamouröseste der Geschwister. Sie hat reiche und berühmte FreundInnen aus aller Welt, mit denen sie rauschende Feste, aber auch Momente stiller Romantik genießt. Folegandros dagegen kennen nur wenige Menschen. Sie lebt etwas abseits, versteckt vor den Augen der Öffentlichkeit und nur schwer zu erreichen. Folegandros ist still und wirkt ernsthaft auf jene, die sie nur aus der Ferne betrachten. Ihre Kleidung ist rau und schmucklos. Die Haare wild und ungekämmt, frisiert vom Meereswind. Manche glauben, ein Hauch von Melancholie weht um sie. Ausgerechnet hier, im Ägäischen Meer. Dort, wo doch der Himmel auf Erden die Wellen sind, die sich an den Klippen brechen. Doch wer sich Folegandros nähert, ahnt ein freundliches Lächeln auf ihren spröden Lippen. Ihre Augen glitzern genauso hell und abenteuerlustig wie jene ihrer Geschwister. Folegandros hat schon viel erlebt. Piraten versuchten sie zu erobern. Männer und Frauen wurden vom Festland in ihre Obhut verbannt. Man glaubte, die Abgeschiedenheit würde den Geächteten als lebenslange Strafe dienen. Denn ja, Folegandros mag nicht das Gefühl eines ewigen Frühlings wie Naxos versprühen. Auch wird man kaum jene Ekstase fühlen, als wohne man einer nimmer endenden Hochzeitsfeier bei, wie es die Gäste von Santorin tun. Die Anmut und die Freundlichkeit von Folegandros äußern sich auf andere Weise. Dann aber umso intensiver. Und noch etwas: Folegandros hält ein Juwel versteckt, um das sie all ihre Schwestern beneiden würden. Doch dieses Kleinod zeigt sie nur den Eingeweihten. Bald gehörst auch du zu ihnen. Dazu später mehr. Eingang zum Spa-Bereich: Bitte hier lang zu Wolke Sieben.


LEBEN AM ABGRUND
Bevor wir die Insel in ihrer Gegenwart betreten, folgen wir den Schritten von Joseph Pitton de Tournefort. Am 2. Oktober 1700 wagte der französische Botaniker und Naturforscher etwas, das vor ihm nur wenige Reisende aus dem Westen getan hatten: Er ging bei Folegandros an Land. Man kann es den Seefahrenden vor ihm nicht verdenken. Die Insel verfügte über keinen Hafen, eine Bucht zum Anlegen ließ sich nur schwer finden. Und überhaupt schien dort auf den ersten, zweiten und dritten Blick nichts, was eine Erkundung wert war. Doch Tournefort war entschlossen, die bescheidene Flora gewissenhaft zu katalogisieren. Er stellte schnell fest, warum der Dichter Aratus Folegandros einst das „Land aus Eisen“ nannte. Der Boden der Insel ist keine Schatztruhe der Natur. Er gleicht einem stillen Schlachtfeld, dem die Bauern jeden Gewinn zäh abkämpfen müssen.„Steinig, dürre und kahl“, notierte der Franzose in seinen Aufzeichnungen. Das angebaute Getreide reichte für die BewohnerInnen gerade mal so zum Überleben. Feuerholz war knapp. Die Oliven wurden nicht zu Öl verarbeitet, sondern mit Salz haltbar gemacht für Tage, an denen Hunger herrschte. Dennoch „wirkt die Insel in ihrer Trockenheit recht heiter“, hielt Tournefort fest. Auf Menschen stieß er in einem kleinen Dorf. Etwa 120 Familien hatten ihre Häuser an einem „erschrecklichen Felsen“ gebaut, der wie ein in Stein erstarrter Wasserfall in die Landschaft stürzt. Wie jemand, der den Familienschmuck beim Pfandleiher verscherbelt, um für ein paar weitere Monate über die Runden zu kommen, rissen auch die BewohnerInnen von Folegandros zum Überleben die Pracht vergangener Tage nieder. Aus Marmorskulpturen wurden Türstützen gebaut. Bronzestatuen aus der Antike landeten im Schmelzofen und baumelten fortan als Leuchter in den bescheidenen Hütten. So wenig schien die Insel herzugeben, dass Folegandros seine eigene Geschichte fressen musste. Nach zwei Tagen kehrte Tournefort zurück aufs Schiff und setzte seine Reise durchs Insellabyrinth der Kykladen fort.



ORT DER WIEDERGEBURT
Das Dorf, durch das Joseph Pitton de Tournefort vor über dreihundert Jahren wandelte, steht noch immer. Tatsächlich ist es nach all dieser Zeit der einzige nennenswerte Ort auf der Insel geblieben. Sein Name ist damals wie heute Chora. Wörtlich übersetzt bedeutet es Land, Gegend oder Ausdehnung. In der griechischen Philosophie nimmt der Begriff aber auch eine mystische Bedeutung ein. Als Platon in seinem Werk „Timaios“ die Entstehung des Universums erklärte, verwendete er das Wort, um die Basis zu beschreiben, aus der alle Ideen ihre konkrete Form annehmen. Die Chora, einst chaotische Urmaterie, ist zugleich Raum und Substanz. Sie ist ebenso Mutterleib wie Hebamme. Aber auch eine Art flüssiges Gold, aus dem immer wieder neue Formen entstehen. Wo Chora ist, atmet der Kosmos und beginnt seine eigentliche Existenz. Oder im Fall von Folegandros: Dort, wo die Bäckerin ihre dampfenden Brötchen aus dem Ofen zieht und kleine Katzen um schneeweiße Häuser streifen, in der Hoffnung auf ein paar Streicheleinheiten. Für Platon war die Chora ein abstrakter Ort, an dem sich unsere Welt immer wieder erneuert. Für uns stellt sich die Frage: Kosmische Erneuerung klingt gut – aber gibt es sie auch mit eigenem Spa? Und damit verrät uns Folegandros endlich sein Geheimnis, das sich zwischen seinen trockenen Hügeln und kantigen Klippen versteckt.


HIMMEL UND HÖHLE
Vielleicht hätte Joseph Pitton de Tournefort von seinem Schiff aus das Gundari Resort gar nicht erkannt, wäre das Fünf-Sterne-Hotel schon damals in der Landschaft gestanden. Die 25 Suiten und zwei Villen sind gebaut mit Steinen, die sich farblich kaum von ihrer Umgebung abheben. Über 80 Hektar erstreckt sich, oder besser: versteckt sich die Anlage. Während seiner Mittelmeerexpedition nächtigte Tournefort auf Folegandros beim örtlichen Konsul. Hier würde ihn unter anderem die Deluxe Cave Suite erwarten. Wie alle Unterkünfte verfügt auch sie über einen Privatpool und Meerblick. Tourneforts Tag beginnt mit dem Geräusch einer Nadel, die auf Vinyl kratzt. Die höhlenartige Logis verfügt über einen High-End-Plattenspieler im Vintage-Design, es kann aus einer kuratierten Bibliothek von 300 Schallplatten ausgewählt werden. Wir entscheiden uns für „Moon Safari“ von Air, Landsleute von Tournefort und der Song „La femme d’argent“ dürfte selbst einen Mann aus dem 17.
Jahrhundert zum Grooven bringen. Die Sonne steht bereits hoch, als er sich unter der Holzpergola streckt und mit einer Zehe das kühle Wasser seines Infinity Pools testet.
Diese Suite ist besonders dramatisch an den Hang gebaut. Es scheint, als wäre die Ägäis mit nur zwei, drei Brustzügen erreichbar. Doch viel Zeit zum Planschen bleibt dem Franzosen nicht. Auf seinem Weg zur Wellnesszone fühlt er zwischen Daumen und Zeigefinger die Blätter von einem der jungen Olivenbäume, die der Anlage etwas Grün und das satte Aroma des Mediterranen schenken. Auch die Kräuter für die Kompressen, die sich jetzt auf die Haut des Reisenden legen, sind direkt aus der Gegend. Das zweistündige Treatment nennt sich „Iasos Balsam“, benannt nach der griechischen Göttin der Genesung, und umfasst unter anderem eine Massage und Breathwork. Frisch erholt und mit einer Energie für hundert weitere Schiffsreisen tritt unser Gast zurück in die angenehm drückende Wärme. Das Zirpen der Grillen ist nach „Moon Safari“ der neue Soundtrack für diesen Nachmittag. Statt auf der Terrasse seiner Suite zu brüten, lernt Tourneforts am Gemeinschaftspool neue AbenteurerInnen kennen, die seinen Geschichten lauschen und er den ihrigen. Bei Cocktails von der Swim-up-Bar sind Fremde schon immer schnell zu FreundInnen geworden. Die Sonne steht jetzt tief. In ihrem orangen Glimmern verschmilzt das Resort vollends mit der Insel. Eine stille Zufriedenheit, wie man sie nur spürt, wenn ein perfekter Tag langsam zur Neige geht, breitet sich unter den Menschen aus. Teller klappern. Besteck rasselt. Im Hotelrestaurant Orizon werden die Tische fürs Abendessen gedeckt. Das Menü verantwortet Lefteris Lazarou. Seine Gerichte mit Fisch und Meeresfrüchten sind weltbekannt. 2002 wurde er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Orzo-Pasta mit Chili, Parmesan und Shrimps sowie Süßwein aus Limnos ist eine der Kreationen. Ihr Duft steigt in den Himmel, an dem nun Tourneforts jeden einzelnen Stern erkennen kann. Morgen werden sie ihm den Weg fort von der Insel weisen. Doch einen Abend lang darf er noch staunen. Darüber, wie man dem unbarmhaften Land aus Eisen nach so vielen Jahrhunderten dieses zarte Paradies hat abringen können. Und dass es sich in den Armen unter den Wildesten der vier Schwestern womöglich am entspanntesten träumen lässt.


GUNDARI RESORT
Versteckt in den kargen Hügeln einer fast einsamen Insel liegt ein Schatz. Nicht aus Gold und Juwelen, sondern mit Meersicht und Menü eines Michelin-Kochs. Das Athener Studio Block722 entwarf mit dem Gundari Resort auf Folegandros ein architektonisches Chamäleon. Das Fünf-Sterne-Hotel feierte im vergangenen Jahr seine Eröffnung und hat seither Preise wie den Architectural Digest 2025 Design Hotel Award und den DNA Paris Design Award 2025 gewonnen. Statt „Mamma Mia!“-Cosplay- Tourismus bietet dieser Griechenlandurlaub eine stille Einkehr in wilder Natur. Und das ist für manche mehr wert, als Truhen voller Brillanten.
gundari.com
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Ebenso abgelegen, aber an einer ganz anderen Ecke der Erde liegt das Huanglong Island Hotel.
Fotos: © Gundari Resort






