Jede Party hat ihr Ende. Felix Jaehn hat allerdings nur einmal kurz Luft geholt und ist heute präsenter denn je. Die Beats sind schneller, der Look lauter – aber die Liebe zur Musik, die ist ungebrochen.
FACES: Es ist eine Weile her, dass die Welt von dir gehört hat. Willkommen zurück! Wie hast du deine Pause vom Rampenlicht verbracht?
Felix Jaehn: Ich war ziemlich oft offline und habe mir eine richtige Auszeit gegönnt. Ein bisschen Gartenarbeit, ein paar Reisen, ein paar Raves – und natürlich habe ich auch an meiner Musik gearbeitet. Ich habe versucht, den Moment zu leben und habe immer genau das getan, wonach mir war – ganz ohne an meinen Kalender denken zu müssen. Ich lebte nach dem Motto: Es ist mir total egal, was ich übermorgen tue. Ich kann gerade einfach tun und lassen, was ich will.
FACES: Viele Menschen kommen verändert von ihren Reisen zurück. Gilt das auch für dich?
Felix Jaehn: Ich fühle mich definitiv selbstbewusster. Ich bin konzentrierter und weiß besser, wer ich bin und was ich will. Ich habe die Pause auch genutzt, um über die vergangenen zehn Jahre meiner Karriere nachzudenken und mir zu überlegen, wie ich die nächsten zehn Jahre angehen will.
Ein ganz neuer Sound
FACES: Diese Veränderung können wir auch hören! Was hat dich dazu inspiriert, deinen Sound so stark zu verändern?
Felix Jaehn: In den vergangenen Monaten ist meine Musik generell immer schneller und rasanter geworden. Dass ich viel ausgegangen bin und auf Partys unterwegs war, ohne arbeiten zu müssen, hat mich beeinflusst und inspiriert. Außerdem habe ich viel Zeit auf Soundcloud verbracht und neue Trends und KünstlerInnen entdeckt.
FACES: Kannst du uns eine KünstlerIn nennen, die dich auf Soundcloud besonders begeistert hat?
Felix Jaehn: Ich habe Butschi aus Leipzig in Deutschland entdeckt. Leipzig punktet gerade mit zahlreichen Trance-DJs und -ProduzentInnen. Butschi hat mich besonders inspiriert und verblüfft. Als ich in Mexiko am Strand saß, habe ich seine Musik immer und immer wieder gehört. Kurzerhand habe ich mich mit ihm in Verbindung gesetzt, und wir haben gemeinsam einen Track kreiert. Für diese Zusammenarbeit und diese Erfahrung bin ich sehr dankbar.
Arbeiten mit Distanz
FACES: Du warst in Mexiko, Butschi in Deutschland. Wie habt ihr mit dieser Distanz an eurem Song „Atme Ein (Atme Rauch Aus)“ gearbeitet?
Felix Jaehn: Meine erste Nachricht an ihn lautete so ungefähr: „Yo, was geht? Ich mag deinen Sound. Lass es mich wissen, wenn du Hilfe brauchst oder dich einfach nur austauschen willst.“ Butschi hat sich total darüber gefreut, dass ich mich bei ihm gemeldet hatte. Unser erstes Telefonat dauerte dann auch zwei oder drei Stunden, in denen wir über das Leben sprachen, über Musik und die Musikindustrie. Es ist sein Traum, von der Musik leben zu können. Ich hab zu ihm gesagt: „Ich kann dir dabei helfen. Los geht’s! Ich teile meine Erfahrungen und mein Wissen mit dir, also lass uns gemeinsam auf eine Reise gehen.“ Und genau das taten wir dann auch.
FACES: Im Vergleich zu „Atme Ein (Atme Rauch Aus)“ klingt deine neue Single „All For Love“ feat. Sandro Cavazza sehr typisch für dich. Wirst du auch künftig zwischen diesen beiden musikalischen Welten hin und herswitchen?
Felix Jaehn: Ja, natürlich – und wahrscheinlich noch zwischen vielen mehr. Ich bin ein sehr vielseitiger Mensch, und genauso ist auch mein Musikgeschmack. Ich möchte so viel wie möglich davon in meine Felix-Jaehn-Welt miteinfließen lassen. Neben den schnellen, ravigen Sachen mag ich natürlich auch noch die langsameren Dance-Pop-Songs.
FACES: Erzähl uns von „All For Love“ feat. Sandro Cavazza. Was bedeutet die Platte für dich?
Felix Jaehn: Nun, ich liebe „All For Love“ einfach so sehr, und ich bin auch ein großer Fan von Sandro Cavazza. Ich bin so dankbar, dass wir das zusammen machen. Ich liebe die Energie dieses Songs und dass Sandro den Text fast herausgeschrien hat. Im Studio habe ich es schon oft erlebt, dass SängerInnen sehr leise singen – manchmal kann man es kaum hören. In der Produktion wird der Gesang dann verstärkt, damit er gut klingt. Aber Sandro gibt wirklich Vollgas und schreit den Text förmlich heraus – was für eine Energie! Von der Produktion her klingt „All For Love“ wirklich wie ein typischer Felix-Jaehn-Song, der für mich vor allem eine Kombination aus einer Dance-Produktion mit elektronischen Elementen ist, kombiniert mit den Streichern und dem live eingespielten Cello und der Live-Geige. Das alles zusammen mit Sandro zu mischen, finde ich einfach wunderbar.
Vereinte musikalische Welten
FACES: Wie wird das von nun an aussehen, wenn ihr deine musikalischen Welten vereint?
Felix Jaehn: Ihr kriegt das Beste aus beiden Welten. In den vergangenen Jahren habe ich schon damit experimentiert, das Tempo zum Ende hin ein wenig zu beschleunigen. Der Schluss wird allerdings jetzt ein bisschen länger sein. Mein Plan: Ich beginne langsam, so um die 128 BPM, und gehe dann hoch auf 155 Trance-Musik. Das wird bestimmt super cool, mit dem früheren „schnell“ zu beginnen und das Tempo dann nochmals hochzudrehen.
FACES: Ihr steht beide bereits wieder auf der Bühne. Wo können wir dich in Zukunft sehen?
Felix Jaehn: Im Sommer spielte ich auf den großen Bühnen in ganz Europa. In Ibiza unterstützte ich David Guetta und Robin Schulz und war auf Festivals in Finnland, Lettland, Deutschland, der Schweiz und in den Niederlanden. Ich beschränke mich im Moment auf Europa, weil ich wirklich aufpassen will, dass ich nicht wieder zu viel zu schnell mache. Deshalb habe ich im Sommer Interkontinentalreisen vermieden. Im Oktober 2023 findet meine erste Show in Brasilien statt, und ich werde voraussichtlich eine kleine Tour durch Mittel-, Latein- und Nordamerika machen.
Die Gedanken kreisen
FACES: Worüber machst du dir aktuell viele Gedanken?
Felix Jaehn: Eine Sache, die mich im Moment wirklich beschäftigt, ist das Thema Bewusstsein in den Clubs, an dem es bis heute mangelt. Dazu gehören verschiedene Themen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie. Leider haben viele Menschen derzeit nicht das Privileg, sich in einer Club- oder Festivalumgebung sicher zu fühlen. Ich mache mir wirklich Gedanken darüber und bilde mich weiter, in der Hoffnung, dass ich dazu beitragen kann, etwas zu ändern.
FACES: Was kann man tun, um zu verhindern, dass sich Menschen in Clubs oder auf Festivals nicht sicher fühlen?
Felix Jaehn: Wir alle müssen uns aktiv mit Themen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie auseinandersetzen. Natürlich gibt es noch mehr, aber für mich sind das im Moment die drei dringendsten Probleme. Wir müssen das als Menschheit und Gesellschaft insgesamt tun – aber insbesondere in Clubs und auf Festivals habe ich festgestellt, dass immer mehr Veranstaltungsorte damit beginnen, Awareness-Teams zu haben, die auf der Party speziell zu diesem Zweck arbeiten.
Die Wichtigkeit von Awareness
FACES: Was ist ein Awareness-Team?
Felix Jaehn: Awareness-Teams bestehen aus geschulten Menschen, die konkret vor Ort im Publikum sind. Sie bieten Erste-Hilfe-Stellung, betreiben Aufklärungsarbeit und definieren im Idealfall schon an der Tür noch einmal die Regeln. Außerdem intervenieren sie, wenn übergriffiges Verhalten in diesem Space stattfindet. Sie haben auch die Power, Konsequenzen zu ziehen – und das ist im Endeffekt dann oft Rausschmiss.
FACES: Hast du dich schon einmal auf einer Party oder auf einem Festival unwohl gefühlt?
Felix Jaehn: Ja, das habe ich. Ich bin sehr oft verbal angegriffen worden, weil ich queer bin. Zuletzt auch beim Ausgehen, leider. Das war eigentlich die einzige Party, auf der ich war, auf der es kein Awareness-Team gab.
FACES: Wie wohl fühlst du dich in deinem neuen Look?
Felix Jaehn: Ich liebe ihn einfach! Er kommt von innen heraus. Ich habe endlich eine neue Seite an mir entdeckt. Es hat 28 Jahre gedauert, bis ich mich getraut habe, mich so zu kleiden, denn so wie ich erzogen und sozialisiert wurde, galt dieser Stil als „weiblich“, und es schwang immer mit „das kann ich als Mann nicht“. Aber ich kann es, und ich fühle mich wohl dabei. Natürlich bin ich mir gleichzeitig bewusst, dass das Risiko, angegriffen oder sogar körperlich verletzt zu werden, jetzt viel höher ist, weil mich die Menschen in der Gesellschaft eindeutig als queer identifizieren können.
FELIX JAEHN
Cheerleader katapultierte Felix Jaehn 2014 auf Platz Eins der Charts. Doch irgendwann wird die Überholspur zur Routine: Jaehn nahm sich eine Auszeit. Nach einer Reise nach Südamerika und mit einem neuen Look ist der DJ nun endlich zurück.
Was Felix Jaehn so treibt, siehst du auf seiner Webseite und auf seinem Instagram-Kanal.
Wir kennen die zehn besten Reiseziele, an denen du dich als queere Person weder verstecken noch unsicher fühlen musst. Hier geht’s zum Artikel.
Teaserfoto & Fotos: © Viktor Schanz
Text: Virgin Records