Schon im Aufzug spürt man die besondere Atmosphäre des Hauses in der Rue du Faubourg Saint-Honoré – dort, wo Mathilde Laurent, die Chefparfümeurin von Cartier, ihr neues Labor eingerichtet hat. Auf dem Spiegel steht in ihrer Handschrift: Le sens est donné par les sentir – „Der Sinn wird durch die Sinne gegeben.“ Ein Satz, der ihren Zugang zu ihrer Arbeit treffend beschreibt – tief verwurzelt in Kreativität, Handwerk und Ursprünglichkeit.
Das neue Labor liegt im Herzen des sogenannten „goldenen Dreiecks“ von Paris – zwischen der Rue du Faubourg Saint-Honoré, der Avenue Montaigne und dem Place Vendôme. Laurent hat das Atelier selbst gestaltet, und das ist spürbar. Die Räume wirken ruhig, hell und persönlich. Unter den weißen Dachschrägen von Paris liegt ein Ort, der zugleich Arbeits- und Lebensraum ist. Schlichte Möbel, natürliche Formen – an einer Wand tritt eine Gipsnase hervor, ein Abguss aus der Sammlung des Musée des Arts décoratifs – eine humorvolle Referenz an die Kunst des Riechens.
Seit 2005 ist Mathilde Laurent die offizielle Parfümeurin von Cartier – und feiert am Tag unseres Besuches ihr 20-jähriges Jubiläum in der Maison. Ihre Arbeit gilt als avantgardistisch und gleichzeitig tief verwurzelt in der Geschichte des Hauses. Sie komponiert Düfte, die sich über Konventionen hinwegsetzen, die Fantasie anregen und den Stil Cartiers in olfaktorische Kreationen übersetzen.

FACES: Düfte sind etwas höchst Persönliches. Sie wecken Erinnerungen, nehmen uns mit in die Vergangenheit oder lassen uns von der Zukunft träumen. Und dennoch gilt es für ein Haus wie Cartier, Kreationen zu entwerfen, die über persönlichen Geschmack hinausgehen. Wie viel Ihrer Persönlichkeit und Geschichte steckt in deinen Kreationen?
Mathilde Laurent: Für mich als Parfümeurin ist es essenziell, mich von meinem persönlichen Geschmack zu distanzieren. Genau das wird in der Parfümerieschule gelehrt – es ist eine grundlegende Voraussetzung, um Parfümeurin oder Parfümeur zu werden. Man kann nicht mit seiner eigenen olfaktorischen Biografie arbeiten, sonst ist es unmöglich, etwas für einen Kunden zu erschaffen. Die Parfümerie ist nicht für die Parfümeurin oder den Parfümeur selbst gemacht – sie ist ein Angebot, ein Dialog mit der Welt und mit den Menschen. Man muss sich selbst vergessen und tief in den Schaffensprozess eintauchen. Für mich geht es um Cartier und den Reichtum der Historie der Maison, nicht um mich selbst.
F: Déclaration Eau de Parfum ist eine Neuinterpretation eines Klassikers – eine „Hommage an das Feuer leidenschaftlicher Liebeserklärungen“. Was war der zentrale Gedanke hinter dieser Kreation?
ML: Ich wollte Déclaration eine neue Intensität verleihen. Das ursprüngliche Parfum von Jean-Claude Ellena ist ein ikonischer Duft – mutig, emotional, unverwechselbar. Die neue Version fügt dem ursprünglichen Duft eine feurige und zugleich milchig-zarte Note hinzu. So ist es mir gelungen, den würzig-holzigen Charakter von Déclaration, der für seine Kühnheit bekannt ist, mithilfe warmer und cremiger Nuancen neu zu interpretieren. Das Eau de Parfum bleibt dem Originalduft treu, wirkt mit seiner Nelken- und Ingwernote jedoch deutlich intensiver.


„Eine meiner ersten olfaktorischen Erinnerungen ist der Geruch von Korsika, wo ein Teil meiner Familie lebt.“
F: Gibt es eine frühe Kindheitserinnerung, durch die man vielleicht schon hätte ahnen können, dass du eines Tages Parfümeurin werden würdest?
ML: Eine meiner ersten olfaktorischen Erinnerungen ist der Geruch von Korsika, wo ein Teil meiner Familie lebt. Ich bin mit meinen Eltern und meiner Großmutter in Paris aufgewachsen, aber jeden Sommer haben wir in Korsika verbracht. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment, als wir das erste Mal aus dem Flugzeug stiegen. In den Siebzigerjahren war der Flughafen dort kaum ein richtiger Flughafen – man trat fast direkt in die Landschaft hinaus. Das war einer der Gerüche, die mich in meinen ersten Lebensjahren besonders geprägt haben. Ich war damals etwa sechs Monate alt…
F: Welcher Geruch erinnert dich an die Vergangenheit, und welchen Duft würdest du dir für deine Zukunft wünschen?
ML: Der Duft meiner Vergangenheit ist jener des Maquis – dieser wilden Buschlandschaft auf Korsika. Und der Duft meiner Zukunft? Es fällt mir schwer, das zu beantworten, weil ich mich ungern auf einzelne Zutaten beschränke. Was ich liebe, sind Konzepte: Ich glaube, es wäre der Geruch des Friedens. Ja, das ist mein Wunsch für die Zukunft – der Geruch des Friedens.
Durch die Duftwelt von Cartier stöberst du hier.
Fotos: © Cartier






