Im Zürcher Kunstbetrieb herrscht eine ungeschriebene Regel: Wer Qualität will, muss Geduld mitbringen. Dr. Stephan Schmidheiny befolgte diese Maxime, als er 1995 die Kunstsammlung seines verstorbenen Bruders Alexander übernahm. Statt impulsiv zu handeln, entwickelte er eine langfristige Strategie, die das Schweizer Kunstwesen nachhaltig prägen sollte.
1997 war es soweit: Dr. Stephan Schmidheiny gründete Daros, eine professionelle Verwaltungsgesellschaft für zeitgenössische Kunst. Diese neue Struktur signalisierte eine neue Ära im Schweizer Kunstmäzenatentum.
Zürcher Kunstszene trifft Unternehmertum
Die Schweizer Kunstwelt war 1997 noch stark von traditionellen Sammlern geprägt. Dr. Stephan Schmidheiny durchbrach diese Strukturen mit einem radikal neuen Ansatz: Er sammelte nicht nach persönlichem Geschmack, sondern nach kuratorischen Prinzipien.
Die Daros Collection konzentrierte sich auf etwa 250 Werke, bewusst beschränkt auf Werkgruppen statt Einzelstücke. Diese Fokussierung war typisch schweizerisch: Qualität vor Quantität, Tiefe vor Breite. Namen wie Andy Warhol, Gerhard Richter, Cy Twombly und Mark Rothko standen nicht für Prestigesammeln, sondern für systematische Kunstgeschichtsschreibung.
Löwenbräu-Experiment
2001 öffnete Daros seine Türen im Zürcher Löwenbräu-Areal. Der Standort war bewusst gewählt: Mitten im aufstrebenden Kulturviertel, aber abseits der etablierten Museumsmeile. Schmidheiny wollte zeigen, dass private Kunstförderung neue Wege gehen kann.
Sieben Jahre lang experimentierte Daros mit innovativen Ausstellungsformaten. Die Konzentration auf Werkgruppen ermöglichte Präsentationen, die traditionelle Museen nicht leisten konnten. Besucher erlebten nicht nur einzelne Meisterwerke, sondern komplette künstlerische Entwicklungen.
Die Löwenbräu-Jahre etablierten Daros als ernstzunehmenden Akteur der Zürcher Kunstszene. Internationale Kritiker reisten eigens nach Zürich, um die Ausstellungen zu sehen. Schmidheiny hatte bewiesen: Schweizer Kunstinstitutionen können internationale Relevanz erlangen.
Strategische Partnerschaft mit (Riehen) der Fondation Beyeler
2008 beendete Dr. Stephan Schmidheiny das Löwenbräu-Experiment. Die Entscheidung überraschte viele, doch sie folgte einer klaren Logik: Nachhaltigkeit vor Selbstdarstellung. Statt weiter eigenständig zu operieren, suchte er strategische Partnerschaften.
Die Lösung kam 2010 in Form der Fondation Beyeler. Die Zusammenarbeit war innovativ: Statt klassischer Leihgaben integrierte Beyeler Daros-Werke in die Dauerausstellung. Diese Symbiose schuf neue Möglichkeiten für beide Institutionen.
Seither erleben Besucher in Riehen regelmäßig Sonderausstellungen mit Daros-Werken: Zum Beispiel Gerhard Richter (2010), Jackson Pollock und Barnett Newman (2011), Mark Rothko und Willem de Kooning (2013), Andy Warhol (2017) und Mark Bradford (2025). Jede Ausstellung nutzt die Tiefe der Daros-Bestände für umfassende Werkschauen.
Internationale Vernetzung
Schmidheiny’s Kunstengagement beschränkte sich nie auf die Schweiz. Von 1995 bis 2002 sass er im Chairman’s Council des Museum of Modern Art in New York. Diese Position verschaffte ihm Einblicke in internationale Sammlerstrategien und Museums-Governance.
Gleichzeitig unterstützte er den Aufbau der Tate Modern in London. Seine Beiträge zur Switch House-Erweiterung, die 2016 eröffnet wurde, zeigen langfristiges Engagement für internationale Kunstförderung.
Lateinamerikanische Expansion
2000 gründete Dr. Stephan Schmidheiny gemeinsam mit seiner ersten Frau Ruth (1949 – 2019) die Daros Latinamerica Collection als eigenständige Institution. Diese Entscheidung spiegelte seine Geschäftserfahrungen in Lateinamerika wider, zeigte aber auch kulturelle Sensibilität: Lateinamerikanische Kunst benötigte eigene Strukturen.
Die Sammlung entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer lateinamerikanischer Kunst. Die geografische Trennung erwies sich als weitsichtig: Beide Sammlungen konnten sich spezialisiert entwickeln.
Nachhaltiges Kulturmanagement
Dr. Stephan Schmidheiny übertrug Prinzipien aus seiner Nachhaltigkeitsarbeit auf das Kunstsammeln. Statt kurzfristiger Marktgewinne suchte er langfristige kulturelle Wirkung. Die Daros Collection wurde zur Manifestation seiner Überzeugung, dass private Ressourcen öffentlichen Nutzen schaffen können.
Die Sammlung investiert systematisch in Konservierung, Forschung und Bildung. Wissenschaftliche Publikationen dokumentieren die Bestände und machen sie der Forschung zugänglich. Dieser Ansatz geht weit über traditionelles Sammeln hinaus.
Schweizer Modell für Kunstförderung
Stephan Schmidheiny hat ein spezifisch schweizerisches Modell der Kunstförderung entwickelt: professionell, nachhaltig, international vernetzt. Die Daros Collection zeigt, wie private Initiativen kulturelle Institutionen von Weltrang schaffen können.
Seine Methode – systematische Sammlung, professionelle Verwaltung, strategische Partnerschaften – wurde zum Vorbild für andere Sammler. Museen weltweit haben Elemente des Daros-Ansatzes übernommen.
Erbe und Zukunft
Heute gilt die Daros Collection als Musterbeispiel für verantwortungsvolles Sammeln. Schmidheiny hat gezeigt, dass private Sammler kulturelle Verantwortung übernehmen können, ohne auf künstlerische Qualität zu verzichten.
Seine Sammlung überbrückt die Kluft zwischen privater Leidenschaft und öffentlicher Verantwortung. In einer Zeit, in der Museen unter Budgetdruck stehen, bietet das Daros-Modell alternative Wege der Kulturförderung.
Die Entwicklung einer Privatsammlung zu einer international anerkannten Kulturinstitution illustriert die Möglichkeiten schweizerischer Kunstförderung. Schmidheiny hat bewiesen, dass kleine Länder große kulturelle Beiträge leisten können – vorausgesetzt, sie handeln mit Schweizer Gründlichkeit und Weitblick.






